Freiheit

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Sonntag, 19. Oktober 2014

Get up, stand up

Vor zwei Wochen besuchte mich meine Nachbarin, um über hausinterne Dinge zu reden, die noch zu klären sind. Dabei fragte sie mich auch, wie ich mich mittlerweile fühle und ob es mir besser gehe. 

Da ich letztes Jahr auch einige Wochen zu Hause gewesen bin, hatte mich ihr Mann angesprochen und mit ihm habe ich offen über meine diagnostizierten Krankheiten Depression, und später Angststörung, geredet. 

Meine Nachbarin erzählte mir nun von ihrer Freundin, die seit vielen Jahren an einer bipolaren Störung* leidet und meinte, dass es dieser an schlimmen Tagen schwerfiele für sich selbst zu sorgen und überhaupt etwas zu tun. 

Nach dem Wachwerden aufzustehen, ist für die meisten zwar nichts was man gerne macht, aber was muss das muss halt. Für Personen, die an einer Depression leiden, kann je nach Schwere der Depression, dies zu einem Akt werden, der enorme Kraft erfordert. Kraft, die man manchmal eben nicht mehr hat bzw. einen Grund warum man diese Kraftanstrengung überhaupt auf sich nehmen sollte. 

Trotz allem bin ich jeden Morgen aufgestanden und hab mein Bett gemacht. Danach bin ich ins Badezimmer, hab geduscht und mich danach leicht geschminkt. Dann angezogen. 

Als meine Hausärztin mich letztes Jahr in einer der ersten Wochen nach meinem Tagesablauf fragte und ich ihr davon erzählte, meinte sie, ich solle es als Stärke ansehen, dass ich diese Dinge tue. Und ich dachte nur, was sie mir denn da für einen Quatsch erzähle, denn das morgendliche Aufstehen und die Körperpflege ist doch etwas Selbstverständliches. Wie gesagt, das war in einer der ersten Wochen. 

Nachher verstand ich erst, warum sie es als Stärke und nicht als etwas Selbstverständliches bezeichnet hat. 
Nach ein paar Monaten in der Depression und der Angst wurde mir erst bewusst wie anstrengend solche bisherigen ,Kleinigkeiten' wirklich sein können. Und dass schon das Aufstehen an sich, das Bett machen, mich anziehen etc. Anstrengungen sind zu denen ich mich oft regelrecht zwingen musste. Und danach nur noch erschöpfter war. Ich hätte den ganzen Tag schlafen können.
Und wäre trotzdem müde geblieben. 

Dem Körper wird durch diese ständigen Angstzustände einfach soviel abverlangt und er läuft die ganze Zeit auf Hochtouren. Und das ist kräftezehrend.  
Und ermüdend. Wenn dann auch noch die Depression dazukommt und man keinen Grund mehr sieht warum man überhaupt aufstehen soll, ist dies fatal. 

Deshalb kann ich nur jedem raten, der auch in diesem Teufelskreis gefangen ist:

- steht auf
- macht euer Bett
- wascht und duscht euch 
- legt leichtes Make-up oder eine getönte      Tagescreme auf
- tuscht euch die Wimpern
- zieht euch Wohlfühlklamotten an 

Und geht eine Runde draußen spazieren. Geht unter Leute. Esst ein Eis, eine Waffel, einen Salat etc. Oder seid einfach nur draußen in der Natur. Hauptsache ihr macht etwas Gutes - nur für euch selbst. Einfach so. Weil ihr es verdient habt!! 

Ich weiß, dass dies für manche, die hier über diesen Beitrag stolpern, wahrscheinlich ziemlich lächerlich klingt. Sei's drum! 

Aber diejenigen, die betroffen sind, wissen genau worüber ich schreibe. 

Schafft euch also auch ein morgendliches Ritual an, wie meines, das euch guttut. Und euch stärkt. Es sind nur kleine Schritte, aber auch die bewegen etwas und bringen euch weiter.

Ich habe auch lange gebraucht, um zu erkennen, dass es wirklich eine Stärke ist und die Mühe lohnt sich. 

Aufstehen, Anziehen, Sich-selbst-etwas-Gutes-tun! 

               Get up, stand up, 
            don't give up the fight! 


Foto von der Seite Bright Drops


* Eine bipolare Störung ist, mal sehr laienhaft ausgedrückt, eine Krankheit, in der man zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt schwankt. Und die Wechsel von einem Extrem ins andere erfolgen oft rasant. 

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