Freiheit

Freiheit

Samstag, 17. Mai 2014

Drei Jahre ohne dich

Heute sind es genau drei Jahre her, als ich dir sagte, dass es ok ist, wenn du gehst und ich schon klarkommen werde. Das ich dein Foto ansah und spürte, dass du bei mir bist. Ich meinte es so. Heute weiss ich, dass es gelogen war.

Ich habe immer gedacht, wir drei sterben zusammen. Der Gedanke, dass einer alleine übrigbleibt, kam mir bis ins Teenageralter nie. Aber als er dann kam, war es umso schlimmer. Ich habe so geweint, du hast mich kaum beruhigen können. Seitdem hat mich der Gedanke an deinen Tod jeden Tag begleitet. Und trotzdem kam er unerwartet. Ich dachte immer, wenn du stirbst wird meine Welt untergehen und ich würde aufhören zu existieren. In gewissem Sinne habe ich das auch - aufgehört zu existieren. Denn ich war nicht mehr ich. Ich habe alles mit Arbeit zugeschüttet, nur um nicht mehr nachzudenken, um nicht mehr fühlen zu müssen. Und ich war so müde, so unendlich müde, dass ich nur noch schlafen wollte. Das kam mir sehr entgegen, denn im Schlaf musste ich nicht nachdenken.

Im November nach deinem Tod, kurz vor deinem Geburtstag, überkamen mich trotz aller Abwehrmechanismen die Traurigkeit und vor allem die Einsamkeit. In meinen Träumen hast du mich besucht. Du hast dich auf mein Bett gesetzt und ich bin aufgewacht. Ich sagte zu dir, dass ich alles dafür geben würde noch einmal deine Hand zu halten. Du hast meine Hand genommen und ich bin im Traum friedlich eingeschlafen.

Ich weiss, es ist egoistisch mir zu wünschen, du wärst noch hier. Denn es wäre nur noch dein Körper. Alles, was dich ausgemacht hat, wäre nach dem schweren Schlaganfall nicht mehr da gewesen. Das hättest du nicht gewollt und ich auch nicht. Trotzdem gibt es Momente, an denen ich mich einfach gerne zu dir aufs Bett legen und deine Hand halten möchte. So wie früher, wenn ich dich besucht habe. Wenn wir zusammen auf der Couch sassen, ich meinen Kopf auf deiner Schulter hatte und du meine Hand gehalten hast. Obwohl ich doch dafür eigentlich schon viel zu alt war.

Du warst und bist mein Ein und Alles und ich glaube, so eine Liebe und Verbundenheit werde ich erst wieder spüren, wenn ich selbst Mutter bin. Du und ich und dann lange erstmal keiner mehr. Dann kam M., aber das ist eine andere Liebe und eine andere Geschichte.

Seit drei Jahren sage ich jeden Abend zu deinem Foto ,Gute Nacht, schlaf gut. Ich hab dich lieb, dicker Kuss, bis morgen früh'. So wie wir es jeden Abend am Telefon gesagt haben.

Ich vermisse dich. Jeden Tag. Dein Lachen, deine Stimme. Wie du mit deinen Wollsocken auf der kleinen Couch gesessen hast und Äpfelchen für uns beide geschnitten hast.

Man sagt, die Zeit heilt alle Wunden. Das mag sein. Oberflächlich ist sie vernarbt. Nur eine Linie, etwas heller als meine Hautfarbe. Fällt kaum auf. Aber was keiner sieht, ist, dass sie sich nach innen gewannt und sich dort verästelt hat und sie nun in jeden Zentimeter meines Körpers vordringt.

All die Momente, in denen ich frech zu dir war, tun mir so unsagbar leid. Aber am schlimmsten tut mir leid, dass du damals den ganzen Weg mit dem Rollator zu mir in meine erste Wohnung kamst und ich dich angemotzt habe, dass du nicht vorher angerufen hast. Und das nur, weil ich mit meinem damaligen Freund noch wegfahren wollte. Ich kann nicht in Worte fassen, wie leid mir das tut. Du hast den ganzen Weg zu mir gemacht, obwohl es schon damals anstrengend für dich war und ich blöde Kuh meckere dich an. Und das wegen so einem blöden Typen, zu dem ich schon Jahre keinen Kontakt mehr habe.

Als ich dich am letzten Abend, als du noch bei Bewusstsein warst, besucht habe, wusste ich, dass du nicht mehr nach Hause kommst. Deine Nase und alles drumherum war ganz weiss und ich werde niemals die letzten Worte vergessen, die du zu mir gesagt hast. Niemals.

Eines Tages werde ich Wale in freier Wildbahn sehen, das Polarlicht und an die Baikalsee fahren. Für dich und mich. Für uns.

Ich danke dir für alles, was du für mich getan hast. Du hast mich zu einem anständigen Menschen erzogen.

Gib den beiden Opas einen dicken Kuss von mir.

Gute Nacht, schlaf gut. Ich hab dich lieb, dicker Kuss, bis morgen früh!


Lied: Oma so lieb
Interpret: Heintje (Hey, ich wuchs bei meinen Grosseltern auf - NATÜRLICH kenn ich Heintje)

Oma so lieb, Oma so nett,
ach wenn ich dich, meine Oma nicht hätt,
wär's auf der Welt
so traurig und leer,
denn eine Oma wie dich gibt's nie mehr.
Ich habe die beste Oma,
die liebste von der Welt,
bei dir da darf ich alles,
wie es mir grad gefällt,
und schimpft dann meine Mutti ...
Ach du verwöhnst ihn doch,
dann lächelt Oma zärtlich
und sagt ich darf das doch.
Oma so lieb, Oma so nett,
ach wenn ich dich, meine Oma nicht hätt,
wär's auf der Welt
so traurig und leer,
denn eine Oma wie dich gibt's nie mehr.
In Omas kleinem Zimmer
sitz ich so gern bei ihr.
Sie weiss die schönsten Märchen,
und die erzählt sie mir.
Ich streichle ihre Hände
und schaut sie mich dann an
und fragt was ist mein Junge?
Sag ich ganz leise dann ...
Oma so lieb, Oma so nett,
ach wenn ich dich, meine Oma nicht hätt,
wär's auf der Welt
so traurig und leer,
denn eine Oma wie dich gibt's nie mehr.