Freiheit

Freiheit

Mittwoch, 27. November 2013

Liebeskummer lohnt sich nicht, my darling...

.....schade um die Tränen in der Nacht! Das habe ich mir in den letzten Monaten seit der Trennung von meinem Ex-Freund auch gedacht und versucht jeden Gedanken an ihn rasch wegzudrücken, mit dem Resultat, dass alle verletzten Gefühle sich nun mit aller Gewalt an die Oberfläche drücken und ich in den ungünstigsten Momenten davon überrascht werde. Und je öfter ich an ihn denke, desto trauriger werde ich und die Angst (Erna) streicht mir den Nacken, als Hinweis, dass sie zwar momentan Ruhe gibt, aber noch lange nicht weg ist.
Ich bin traurig, verletzt, wütend und auch meine alte Bekannte, die blöde Eifersucht, nagt an mir. Noch immer. Schon wieder. Aber am allermeisten vermisse ich ihn. So sehr, dass es fast weh tut. Gerade in dieser schweren Zeit, in der ich ihn so sehr brauchen würde, ist er so weit weg. Er, der mich umarmt und mir sagt, dass alles wieder gut wird.
Ich weine noch nicht mal, ich verbiete es mir, denn es ändert ja nichts und das
obwohl der Oberarzt in der Klinik sagte, dass jede nicht geweinte Träne Körper und Seele krank macht. Falls also jemand von euch ein Patentrezept gegen Liebeskummer hat, lasst es mich wissen.
Mein Kopf sagt zwar, dass es besser ist nicht mehr mit ihm zusammen zu sein, mein Herz sagt aber:,,Ja, ja, lass die Alte da oben mal quatschen, wir fühlen hier unten eh, was wir wollen."

Um mich abzulenken, bin ich heute meinen hausfraulichen Pflichten nachgekommen, sprich, ich habe das Treppenhaus, den Keller und die Wohnung geputzt. Manche Menschen mögen in dieser Arbeit aufgehen, nun, dazu zähle ich nicht. Um die ungeliebte Pflicht erträglicher zu machen, habe ich beim Staubsaugen Musik gehört. Hier in NRW, zumindest in dem Teil, in dem ich wohne, hat am 11.11. die fünte Jahreszeit begonnen - Karneval. Also hörte ich Lieder von der Kölner Band Die Höhner. Gute-Laune-Musik. Und ich war bald so beschwingt, dass ich lauthals mitsang. Da ja der Staubsauger lief, musste ich nicht befürchten, dass die Nachbarn mich hören. Und nach paar Liedern war mir das so egal, dass ich einfach weitersang, obwohl der Staubsauger schon längst aus war. Ich hab sogar etwas dabei getanzt! Was für mich ein Riesenschritt ist, denn normalerweise kommt für mich Tanzen in etwa gleich mit Barfusslaufen über glühenden Kohlen.

Es ist also etwas Wahres dran, dass Singen glücklich macht. Versucht es mal, es klappt wirklich. Allerdings denke ich, dass traurige Lieder auch genau diesen Effekt haben und daher rate ich zu Gute-Laune-Mitsing-Musik.

Letzte Woche war in der ARD Themenwoche rund ums Glück. Ich bin zufällig dort gelandet und habe die einstündige Reportage dazu von Anke Engelke gesehen. Zuerst dachte ich, oh je, jetzt auch die noch zu dem Thema. Was will sie denn dazu sagen, ihr geht es doch gut.
Ich musste meinen ersten Eindruck aber schnell revidieren. Meines Erachtens nach hat sie sich wirklich mit diesem Thema auseinandergesetzt. So zeigte sie u.a. den Kölner ,Chor der Muffeligen' (was für ein cooler Name!). Personen, denen es mehr oder minder nicht gut ging und deren Befinden sich aber durch die wöchtlichen Chorproben verbesserte.
Den Teilnehmern wurden vor einer Chorprobe eine Speichelprobe entnommen und danach ebenfalls, mit dem Ergebnis, dass der Oxytoxin-Wert signifikant gestiegen ist.
Also stimmt es wohl doch. Ich nehme mir vor zukünftig öfter zu singen. Eben in der Dusche habe ich zu Bob Marley's 'Is this love' gesungen.
Es hat mich so beschwingt, dass ich darüber schreiben wollte.

Ein tolles Lied ist ebenfalls von den Höhner und heisst ,Lust auf Leben' (Album Made in Kölle). Genau so habe ich mich gefühlt, als ich es eben gesungen habe. Ich hatte Lust auf Leben, Lust auf Liebe und Lust auf Lust! Ich habe diesen Hunger danach wieder gefühlt.

Daher hier nun der Liedtext :-)

Als Kind wurd' mir schon klarjemacht:
Du kriegst Ärjer, wenn du widder zu laut lachs,
den Sonntachsaanzuch dir versaus',
in der Schule dich mit andren Jungs verhaus'.
Sei schön lieb un brav un still,
man kricht nich' immer alles, was man will,
doch das konnte ich schon damals nich' verstehn ,
wollte alles un' noch mehr vom Leben sehn:
Lust auf Leben - Lust auf Liebe - Lust auf Lust!
Lust auf Bratkartoffeln un nen fetten Kuß
Lust auf Leben - Lust auf Liebe - Lust auf Doll!
Lust mein Maul nich zu halten, wenn ich soll!
Lust auf dicke rote Grütze un' auf jede kleine Pfütze.
Lust auf Leben - Lust auf Liebe - Lust auf Lust!

Immer wieder hat man mir erklärt,
daß sich alles, was mir Spaß macht, nich' jehört.
Tu' nur deine gottverdammte Pflicht,
alles andre interessiert dich besser nicht.
Doch damit fühl ich mich wie einjesperrt,
dann wär't doch besser, wenn mr gleich zur Hölle fährt.
Wenn du niemals an wat Neuem lecks',
wirste niemals wissen, wie dat schmeck!
Lust auf Leben - Lust auf Liebe - Lust auf Lust!
Lust auf Bratkartoffeln un nen fetten Kuß
Lust auf Leben - Lust auf Liebe - Lust auf Doll!
Lust mein Maul nich zu halten, wenn ich soll!
Lust auf dicke rote Grütze un' auf jede kleine Pfütze.
Lust auf Leben - Lust auf Liebe - Lust auf Lust!

Feste Rejeln? Schön un' gut,
doch wenn mr Dienst nach Vorschrift tut,
kommt et vor, dat man verjißt,
wer man eigentlich selber ist.
Frißt nur alles in sich rein
un ist auf einmal ganz allein.
Einsamkeit is' Marterpfahl,
man lebt doch nur das eine Mal!
Lust auf Leben - Lust auf Liebe - Lust auf Lust!
Lust auf Bratkartoffeln un nen fetten Kuß
Lust auf Leben - Lust auf Liebe - Lust auf Doll!
Lust mein Maul nich zu halten, wenn ich soll!
Lust auf dicke rote Grütze un' auf jede kleine Pfütze.
Lust auf Leben - Lust auf Liebe - Lust auf Lust!

Samstag, 23. November 2013

Gestatten Erna- Erna Ernst

Neben der Depression wurde bei mir eine generalisierte Angststörung festgestellt, wobei in der Reha das Hauptaugenmerk bei mir auf der Angst lag.
Ein Arzt riet dort, wir sollen uns die Angst oder Depression als ältere Dame vorstellen, sie zum Kaffee einladen und zuhören, was sie uns zu sagen hat.

Ich habe die Dame also in meine Wohnung und in mein Leben gelassen. In meiner Kunsttherapie sollte ich sie malen und im Schreibkurs letzte Woche sollten wir einen Steckbrief über unsere Schreibblockade erstellen, als wäre sie eine Person. Wenn ich die Angst habe, kann ich nicht schreiben. Es ist, als würde ein Licht in mir ausgeschaltet.

Ich habe der Angst also ein Gesicht und einen Namen gegeben: Erna Ernst. Fräulein Erna Ernst. 87 Jahre alt, alleinstehend, kinderlos. Lediglich ihr Kater Zacharias lebt bei ihr. Ich stelle sie mir mit einem verkniffenen, faltenreichen Gesicht vor. Schmaler Mund, die grauen Haare zu einem strengen Dutt gebunden. Sie hat eine Vorliebe für dunkle, gedeckte Kleidungsstücke. Ihr Motto lautet:,,Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen."
Erna's liebste Freundin heisst Else und sie kennen einander bereits seit Kindertagen. Else ist lustig, vorlaut und chaotisch. Sie lebt nach:,, Was Du heute kannst besorgen, das verschieb getrost auf morgen."

Erna war nicht immer so bieder und ernst wie heute. Sie hiess Erna Goodwill, hat ihren Nachnamen aber geändert in einen Namen, der nun besser zu ihr passt. Früher war sie wie Else. Jung, schön und voller Leben. Sie hatte ein inneres Strahlen und die Leute hiessen sie willkommen, lauschten ihren Worten und folgten ihrem Rat. Angst war in diesen Zeiten lebenswichtig, ja sogar lebensrettend. Aber im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich dies gewandelt. Wir müssen unsere Nahrung nicht mehr selbst jagen und die lebensrettende Angst, die das Überleben sicherte, wird nur noch selten gebraucht. Stattdessen traten andere Ängste in den Vordergrund. Ängste, die aus einer Mücke einen Elefanten und aus profanen Alltagsdingen einen Spiessrutenlauf machen können. Diese Art von Ängsten, die einen solchen Leidensdruck hervorrufen, dass diejenigen, die unter ihnen leiden, oftmals nicht mehr Ein noch Aus wissen, vor allem, da viele nicht wissen, wovor sie eigentlich Angst haben.
Und daher ist es nicht verwunderlich, dass sie Erna nicht freudig begrüssen, sondern bei ihren ersten Besuchen oft die Tür vor der Nase zuknallen, anstatt ihr zuzuhören. Wem kann man es auch verdenken?! Wer befasst sich schon gerne mit unangenehmen Dingen und stellt sich seinen schlimmsten Ängsten.

Erst wenn die Betroffenen bereits so verzweifelt und erschöpft sind, da sie oft gar nicht wissen, was mit ihnen passiert, erst dann betritt Erna vollends ihr Leben. Sie braucht keine Kraftaufwendung mehr, um die Tür zu öffnen, denn meistens liegen die Bewohner dahinter am Boden und beobachten nur noch resigniert, wie Erna eintritt. Sie haben keine Kraft mehr sich entgegenzusetzen. Erna weiss, dass sie nicht willkommen und ein unliebsamer Gast ist.
Dies und all die Ablehnung, ja sogar Hass, der ihr in den letzten Jahren entgegengebracht wurde, haben Erna verändert und ihr inneres Strahlen ist erloschen. Sie haben aus ihr die Person gemacht, die sie heute ist. Alt, freudlos und allein.

Ich war also ebenfalls nicht begeistert, als Erna vor sechs Jahren das erste Mal bei mir klingelte. Zu dieser Zeit hatte ich aber noch genug Kraft mich gegen die Tür zu stemmen und ihr den Eintritt zu verweigern. Ich versprach ihr halbherzig durch die geschlossene Tür, mir Hobbys zu suchen und mehr auf mich Acht zugeben.

Tja, und nun lebt Erna bei mir. Ist mit Sack, Pack und Zacharias bei mir eingezogen. Sie schläft nun in meinem pinken Gästezimmer. Die Farbe wäre nicht unter ihren Top10, hätte sie das Zimmer gestrichen, teilte sie mir direkt mit. Nun, das Leben ist kein Wunschkonzert und sie war auch nicht unter meinen Top10 der beliebtesten Mitbewohner.
Ich musste feststellen, dass jegliche Form von Widerspruch, Einspruch oder überhaupt viel Gerede bei ihr nicht gerade gut ankommt. Die darauffolgende Angst kam überraschend und dauerte auch länger, als die Angstphasen vorher. Selbst die Kunsttherapie konnte sie nicht vertreiben, so wie vorher im Juli und August.

Widerwillig und zähneknirschend habe ich Erna um ein Gespräch gebeten. Wir haben einen Kompromiss geschlossen und sie darf bis nächstes Jahr Anfang November in meinem pinken Zimmer wohnen. Ich werde ihr zuhören und wir werden mein Leben so ändern, dass wir beide zufrieden sind. Aber dann hat sie meine Gastfreundschaft lange genug in Anspruch genommen und muss wieder gehen und das Leben von jemand anderem zum Positiven wenden. Wenn derjenige oder diejenige sie denn reinlässt.

Ich habe festgestellt, dass sie mir nichts böses will, nur da ich bereits so hart gefallen bin und noch immer blaue Flecken habe, tut es sauweh, wenn ich wieder nicht genug auf mich Acht gebe und sie mich dann anrempelt, um mich zu warnen. Ich bin überrascht, dass sie soviel Kraft hat.

Seitdem ich akzeptiert habe, dass Erna nun vorübergehend bei mir lebt, ist sie etwas aufgeschlossener geworden. Gestern habe ich aus ihrem Zimmer Technomusik gehört. Als ich die Tür öffnete, sagte sie, sie habe den Sender versehentlich verstellt. Is klar.....

Vielleicht ist es ja wie im Film ,Eine zauberhafte Nanny' mit Emma Thompson. Erst hat sie ein einschüchterndes Aussehen und Wesen. Aber je mehr die Kinder ihr und ihren Ratschlägen vertrauen und sie befolgen, desto hübscher und jünger wird Nanny McPhee. Die Kinder, die sie anfänglich so verabscheut haben, möchten sie nicht mehr fortlassen. Aber wenn sie nicht mehr gebraucht wird, muss Nanny McPhee zur nächsten Familie weiterziehen, die ihre Hilfe nun dringender benötigt.

Sonntag, 17. November 2013

Die Gedanken sind frei

In der Klinik riet man mir, erwas zu finden, was mir Spass macht. Dort ist auch meine Liebe zum Schreiben wieder erwacht. Eine neue Welt zu erschaffen, in eine andere Rolle zu schlüpfen, den Figuren Leben einzuhauchen, ja sogar das Recherchieren von Hintergrundinformationen macht mir Spass und erfüllt mich. Wenn ich schreibe, tauche ich in die Geschichte ein und vergesse Zeit und Raum um mich herum.
Daher habe ich gestern und heute einen VHS Kurs für Kreatives Schreiben besucht.

Eine Übung, um zu einer Geschichte zu erlangen, war über einen Friedhof zu spazieren, die Grabsteine zu betrachten und den Gesprächen der anderen Besucher zu lauschen. Wir sollten uns ein Grab heraussuchen, das uns ansprach, bei dem wir länger verweilten als bei den anderen. Daraus sollten wir eine Geschichte schreiben, z.B. über das Leben der Verstorben, die eines Besuchers oder des Eichhörnchens, das in den hohen Bäumen lebt, die den Friedhof umringen.

Ausserdem gab es Tipps, um Schreibblockaden zu umgehen und viele Schreibübungen.
Aus Zeitungsartikeln kann man neue Geschichten erfinden, z.B. aus der, dass ein betrunkener Autofahrer einfach auf der Autobahn anhielt, auf dem Seitenstreifen parkte und, sich an ein Schild lehnend, erleichterte. Mir kam die Idee aus Sicht des Schildes eine Geschichte zu verfassen :-) Wenn sie spruchreif ist, werde ich sie hier veröffentlichen.

Die anderen Kursteilnehmer und auch die Dozentin gaben mir ein sehr positives Feedback. Dass ich eine sehr gute und sehr schöne Art habe zu schreiben und nur noch an den Rändern etwas gefeilt werden muss, um die Geschichten zu verfeinern. Darüber freue ich mich sehr. Ebenfalls hat mich gestern gefreut, dass eine Teilnehmerinmeinte, als sie mich zu Kursbeginn einschätzen sollte, ich wirke tough und stehe mit beiden Beinen im Leben. Das zeigt mir, das ich anders rüberkomme, als ich mich manchmal fühle.

Schreiben macht mich glücklich. Ich muss mich mal nicht mit mir selbst beschäftigen, sondern kann für die Zeit des Schreibens die Realität und den Alltag vergessen.
Bisher dachte ich, ich bevorzuge ironische, lustige Geschichten und sträubte mich erst innerlich dagegen auf dem Friedhof nach Inspiration zu suchen. Aber der Anfang der Geschichte, der daraus entstand, verblüffte mich, denn er lässt mich nicht los. Die Geschichte drängt mich dazu weitererzählt zu werden.

Der Kreativität sind also keine Grenzen gesetzt. Wie heisst es so schön in dem Lied aus der Gmx Werbung: Die Gedanken sind frei

Dies ist die Fassung vor 1865 (Quelle Wikipedia):

1. Die Gedanken sind frei
Wer kann sie erraten?
Sie rauschen vorbei
Wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
Kein Jäger sie schießen.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei!

2. Ich denke was ich will
Und was mich beglücket,
Doch alles in der Stille
Und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
Kann niemand verwehren.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei!

3. Und sperrt man mich ein
Im finsteren Kerker,
Das alles sind rein
Vergebliche Werke;
Denn meine Gedanken
Zerreißen die Schranken
Und Mauern entzwei:
Die Gedanken sind frei.

4. Nun will ich auf immer
Den Sorgen entsagen,
Und will mich auch nimmer
Mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen
Stets lachen und scherzen
Und denken dabei:
Die Gedanken sind frei.

5. Ich liebe den Wein,
Mein Mädchen vor allen,
Die tut mir allein
Am besten gefallen.
Ich sitz nicht alleine
Bei einem Glas Weine,
Mein Mädchen dabei:
Die Gedanken sind frei.

Grillen = trübe Gedanken

Montag, 11. November 2013

Wieder im Alltag

Ich habe meine beiden Koffer aus der Reha von einem Speditionsunternehmen abholen lassen. Ein Koffer kam auch bei mir an. Der zweite Koffer ist nicht aufgetaucht. Vielleicht gönnt er sich eine Auszeit. Ob er wohl, wie Amelie's Gartenzwerg, durch die Welt reist und mir von jedem Ort eine Postkarte sendet?!
Lieber Koffer, wenn Du das hier liest, ich wünsche Dir viel Spaß und viele schöne Erfahrungen! Aber kannst Du mir bitte bitte meine Schuhe zurücksenden. Sie fürchten sich im Dunkeln und ich vermisse sie sehr.
Danke!

Montag, 14. Oktober 2013

Alles hat ein Ende


Der Tag, den ich vor fünf Wochen so herbeigesehnt habe, kam nun doch viel zu schnell - der Tag des Abschieds. Ich habe nicht gedacht, dass ich mich so schnell an all die fremden Leute gewöhne und es mir nun so schwerfällt jene wieder zu verlassen.  Diese zunächst Fremden, von denen manche mir nun näher sind als Freunde, die ich seit Jahren kenne. 

Die Höhen und Tiefen, die wir gemeinsam hier durchlebt haben, schweißen uns zusammen. Wir haben zugelassen, dass unser Gegenüber ein Stück in unser tiefstes Inneres blicken durfte, haben uns geöffnet und verletzlich gemacht, Dinge laut geäußert, die wir außerhalb dieser Klinikmauern nie laut auszusprechen gewagt haben. 

Wir haben zusammen gelacht und geweint, getanzt und gesungen, haben einander zugehört und konnten einfach wir selbst - authentisch - sein. Wir DURFTEN, ja wurden geradezu dazu aufgefordert, zu weinen, zu schreien, zu lachen, zu singen und zu tanzen. Oder gemeinsam die Stille zu genießen. Einfach sein. 
Authentisch sein - wie Kinder. Endlich nochmal nur ich selbst sein können. Ohne Maske, welche sich nach all den Jahren, in denen ich sie schon trage, wie eine zweite Haut angepasst hat und ich sie kaum noch bemerkt habe. 

Als Erwachsene werden wir durch Erfolgsdruck und Leistung oft in eine Depression und tiefe Erschöpfung getrieben und verlieren uns irgendwann selbst auf dem Weg zum Ziel. 

Hier habe ich gemerkt, wie wichtig es ist zu lernen wieder auf mein Bauchgefühl zu hören. Die Stimme in meinem Inneren, zu der ich im Laufe der Jahre das Vertrauen verloren habe. Stattdessen habe ich auf Außenstehende gehört, die rückblickend nicht immer nur mein Bestes wollten. Wieso fällt es mir also soviel leichter auf diese Leute zu hören, anstatt auf mich selbst, die einzige Person, die mich wirklich 100%ig kennt und mich niemals belügen und betrügen würde. Die nur mein Bestes will. 

Für alle, die dieses Gefühl kennen, habe ich ein Gedicht rausgesucht, das mich sehr bewegt und ich passend zu meiner momentanen Situation finde, denn ich wünsche mir selbst auch Zeit.
Zeit, um das hier Erlernte umzusetzen. Zeit, mich selbst wieder kennenzulernen und neue Wege zu beschreiten. Zeit, um mutig zu sein. Und vor allem Zeit, um geduldig mit mir selbst zu sein. 
Der erste Schritt ist getan..... 

<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<
Ich wünsche dir Zeit

Ich wünsche dir nicht alle möglichen Gaben.
Ich wünsche dir nur, was die meisten nicht haben:
Ich wünsche dir Zeit, dich zu freun und zu lachen, und wenn du sie nützt, kannst du etwas draus machen.

Ich wünsche dir Zeit für dein Tun und dein Denken, nicht nur für dich selbst, sondern auch zum Verschenken.
Ich wünsche dir Zeit – nicht zum Hasten und Rennen, sondern die Zeit zum Zufriedenseinkönnen.

Ich wünsche dir Zeit – nicht nur so zum Vertreiben.
Ich wünsche, sie möge dir übrig bleiben als Zeit für das Staunen und Zeit für Vertraun, anstatt nach der Zeit auf der Uhr nur zu schaun.

Ich wünsche dir Zeit, nach den Sternen zu greifen, und Zeit, um zu wachsen, das heißt, um zu reifen.
Ich wünsche dir Zeit, neu zu hoffen, zu lieben.
Es hat keinen Sinn, diese Zeit zu verschieben.

Ich wünsche dir Zeit, zu dir selber zu finden, jeden Tag, jede Stunde als Glück zu empfinden.
Ich wünsche dir Zeit, auch um Schuld zu vergeben.
Ich wünsche dir: Zeit zu haben zum Leben!

Elli Michler   

>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Freitag, 11. Oktober 2013

Ja, mir san mim Radl da


Heute ist mein letztes Entspannungsbad. Die beiden vergangenen Bäder gingen wirklich schon in diese Richtung. Das Licht war aus, mein einheitsgrüner Röstkastanien-Badezusatz war zugefügt und an das Ticken der Uhr gewöhnt man sich auch irgendwann. Vielleicht stumpfe ich mit der Zeit aber auch einfach nur ab....

Ganz draufgängerisch ließ ich mir noch etwas heißes Wasser einlaufen, halbwegs erwartend, dass dann blinkende Alarmsignale mit der Aufschrift ,Ungenehmigter Wasserverbrauch' aus der Decke abgelassen werden. 
Es blieb zu meinem Erstaunen jedoch ruhig..... 

Am Dienstag habe ich mit zwei Mitpatienten (oder soll ich lieber Mitinsassen sagen ;-)) eine Fahrradtour gemacht. 
Den Tipp eines erfahrenen Rennradfahrers (unter der Radhose keine Unterhose anziehen und alles gut eincremen) ignorierend, machten wir uns fröhlich auf die Umgebung zu erkunden. 
Wer nicht hört, muss ja bekanntlich fühlen. Und spätestens auf dem Rückweg scheuerte es an Stellen, auf die ich hier nicht näher eingehe. 

Zurück auf dem Zimmer, wollte ich den Rat dann nachträglich anwenden. Ich habe aber nur Summer Glow Cream dabei, die die Haut schön schimmern lässt. 
Da ich aber nicht will, dass mein Allerwertester unter der Bettdecke leuchtet wie das Hinterteil eines Pavians, leide ich tapfer ;-)

Samstag, 28. September 2013

Jeder Jeck is anders


Als ich am Freitag wieder die Wohlfühl-Entspannungsoase betrat, um mein Bad zu nehmen, war zu meinem Entsetzen in meiner abgetrennten Parzelle das Halogenlicht eingeschaltet, so dass ich die liebevoll gestaltete Innenausstattung nun auch voll ausgeleuchtet betrachten konnte. 
Daher muss ich meinen ersten Eindruck ergänzen:
Es hat nicht nur den Charme einer Metzgerei, sondern auch den Flair einer sterilen Gerichtspathologie. 
Da Schlauch, Türrahmen und Vorhang, um alles noch heimeliger wirken zu lassen, in einem blassen, kalten Mintgrün gehalten sind, durfte nun mein Badezusatz natürlich farblich nicht aus der Rolle fallen. 
Während ich nun in der Kuhtränke vor mich hindümpelte (seltsamerweise habe ich genau hier die besten kreativen Einfälle) und meinen ohnehin schon blassen Körper betrachtete, der im grünlichen, voll ausgeleuchteten Nass dem einer Wasserleiche ähnelte, dachte ich darüber nach, wieso man depressive Kranke zur ,Entspannung' in diese Katakomben schickt. 
Denken sie, es geht den Patienten eh so schlecht, es wird ihnen wie das Paradies auf Erden vorkommen (deswegen wahrscheinlich der Hang zur Farbe grün). Oder soll uns die Farbe Hoffnung geben - wer hier Entspannung findet, der schafft spielend auch den Rest?! 

Tja, ich hab es noch nicht herausgefunden, aber: jeder Jeck is eben anders ;-) 

Et kütt wie et kütt


Gestern war Halbzeit. In 2,5 Wochen bin ich wieder zu Hause. 
Das weckt sehr gemischte Gefühle in mir. Einerseits freue ich mich darauf einige Leute wiederzusehen und wieder in meiner vertrauten Umgebung zu sein. Andererseits muss ich mich dann auch mit den Personen und Dingen auseinandersetzen, die mich behindern und mich ständig auf der Stelle treten lassen. Vor allem mit mir selbst. 
Außerdem verlasse ich damit den schützenden Kokon, der mich hier umgibt. 
Werde ich eine Raupe sein, am Boden kriechend und nur langsam und beschwerlich die Hindernisse überwinden und vorankommen, oder werde ich als schillernder Schmetterling hervorkommen, der sich von allem ihn beengendem befreit hat und sich in die Lüfte erhebt.  

Ich frage mich, wie lange sich das hier Erlernte in meinen Alltag integrieren lässt bzw. ich es auch wirklich umsetze. 
Wie lange werde ich zu Hause brauchen, um meinen inneren Schweinehund wieder einzufangen und in seine fensterlose Hütte zu sperren? Denn hier darf er legitim seine Freiheit genießen, ganz behäbig über die weiß-grün gefliesten Entspannungsfelder trotten und sich im Mittagsschläfchen suhlen. 
Oder sollte ich ihn nicht wegsperren und ihn stattdessen lieber an die kurze Leine nehmen und ihm jeden Tag Spielzeit einräumen? Wäre er dann einfacher zu besänftigen? Ich kann verstehen, dass er mir misstraut. Wie oft schon habe ich ihn mit säuselnder Stimme und Kauknochen eingelullt und eingesperrt. 

Zur Unterstützung habe ich mir einige Bücher zu diversen Entspannungstechniken gekauft. Theoretisch bin ich also fit auf diesem Gebiet. Gedanklich sehe ich mich selbst glücklich als beineverknotende, tiefenentspannte Yogini. Praktisch gesehen - nun ja... Ich nehme mir jeden Abend vor schön brav am nächsten Tag die Yoga- und Atemübungen zu machen. Dann ist das Bett meist aber ausgerechnet an diesem Morgen viel bequemer als der harte Boden und Zeit für sich selbst ist hier ja eh rar gesät (hüstl...). 

Meine Therapeutin sagt, was lange kommt, braucht auch lange, um wieder zu gehen und dass ich geduldiger mit mir selbst sein soll. 

Kurzum, erzwingen kann ich nichts und et kütt wie et kütt.....

Mittwoch, 25. September 2013

Ich Chef - Du nix

Heute hatten wir auf dem Therapieplan eine Ruderbootfahrt stehen. Ich war der Trommler und beschreibe es wie folgt :-)

Aus dem Tagebuch eines Galeeren Trommlers (a.D.): 

Der See war ruhig, die Luft kalt und klar, die Vögel zwitscherten vergnügt in den Bäumen - kurzum es war der ideale Tag für eine Rudertour zu Wasser. 

Somit beste Voraussetzungen für meine heutige  Mannschaft, bestehend aus zehn Landratten, die den Reha-Kurs ,Nie wieder burn out' verordnet bekommen hatten. 
Von mir liebevoll umbenannt in ,Schlimmer geht immer- Sklaverei für Jedermann'. 

Ihren verweichlichten Reaktionen nach zu urteilen, hatten sie wohl nie zuvor ein Ruderboot gesehen bzw. betreten (Ja, man fährt damit auf einem SEE und man kann tatsächlich NASS werden, denn die schön glänzende Oberfläche, in der Sie ihr Spiegelbild bewundern, besteht nunmal aus WASSER!!!). 

Kaum hatten wir uns ein paar Schläge vom Ufer entfernt, kamen auch schon die ersten Beschwerden: 
,,mimimi, meinRücken tut weh, meine Finger werden ganz schrumplig vom Wasser, der Fahrtwind bringt meine Frisur durcheinander (auf einem RUDERboot!)".

Was gelobe ich mir da doch längst vergangene Zeiten - wir saßen noch unter Deck, es roch nach Angst, Dreck und Schweiß und wer gejammert und nicht gespurt hat, bekam meine Peitsche zu spüren. 

Heutzutage werden die Teilnehmer weder verschleppt noch versklavt und müssen sich keine Glatze scheren, sondern dürfen ihre wallende Haarpracht behalten (Fahrtwind, pah). 

Selbst die Alten und Schwachen wurden mit zurück an Land genommen und nicht, wie in der guten alten Zeit, aus Kostengründen über Bord geschmissen. 

Trotzdem waren auf mein gebrülltes Kommando: ,,Morgen selbe Zeit, selber Ort!" die Reaktionen, abgesehen von dem mir entgegen fliegenden Paddel, eher verhalten. 

Ich an dieser Stelle kann nur sagen: 
,,Ick freu mir - trotzdem!"

Dienstag, 24. September 2013

Nur die Harten kommen in den Garten, wa!

Guten Morgen!

Ich bin nun seit zwei Wochen in der Reha.

Allein der Brief des Kostenträgers, das meine Reha bewilligt wurde, hat mich wieder in eine
Angstattacke geführt. Erst meine Kunsttherapeutin konnte mich 1,5 Wochen später aus dieser wieder
rausholen.

Seit einer Woche ist nun auch die innere Unruhe verschwunden, zusammen mit dem Zittern.
Ich esse nun wie ein Scheunendrescher. Ich habe hier meine Vorliebe für Nusspli entdeckt. Mittlerweile bin ich bei vier!! gerösteten Weißbrotscheiben mit Nusspli zum Frühstück angekommen.
Alles in allem fühle ich mich wohl hier und ich kann richtig runterkommen. Mein Körper verordnete mir auch direkt eine Erholungspause, denn seit Anfang letzter Woche bin ich erkältet.


Gerade hatte ich daher mein Medizinisches ,Entspannungsbad'. Entspannung umfasst schließlich einen großen Teil meiner Rehamaßnahme.
Frohen Mutes begab ich mich also dann hinunter in die Badelandschaft der Klinik.
Nachdem ich zehn Minuten gewartet hatte, kam eine entnervte Schwester um die Ecke gerauscht und teilte mir mit, sie habe schon mehrmals zum Baden aufgerufen (das liebliche Stimmchen hatte ich wohl glatt überhört!).
So ginge das natürlich nicht und mir wurde die verlorene Zeit auch direkt von meiner Entspannungszeit abgezogen.

Sie führte mich nach der Standpauke zu meiner Badewanne und ich stellte fest, dass
die hiesige Badelandschaft in etwa den Charme einer Metzgerei besitzt:
Weiße Fliesen, weiße Kacheln und die Badewannen, in Form und Aussehen wie Kuhtränken, nur durch mintgrüne Vorhänge voneinander
getrennt. An den Wänden hingen farblich abgestimmte Schläuche (wahrscheinlich zum Abspritzen der ganz hartgesotteten Entspannungssuchenden nach dem Baden).

Nachdem ich mich in meiner Wanne niedergelassen hatte, ging die Entspannung auch schon los - natürlich nach Stoppuhr.

15 Minuten lang lauschte ich also dem Ticken der Uhr und dem Schnauben meines Badenachbarn, das fröhlich von den Wänden widerhallte.

Nach dem Klingeln der Uhr packte ich schnellstmöglich meine sieben Sachen und suchte das Weite. Das Abspritzen mit dem Schlauch wäre doch zuviel des Guten gewesen.
Fazit: Das Entspannendste an der ganzen Sache war das Warten im Empfangsbereich.

Ansonsten ist das Motto dort unten wohl:
Nur die Harten kommen in den Garten, wa!

Sonntag, 4. August 2013

Guten Morgen

Guten Morgen,

mein Name ist Taleju und ich bin absoluter Blogger-Neuling.

Ich bin weiblich, 34 Jahre jung und lebe in einem beschaulichen Städtchen in NRW, in dem abends
ab 22 Uhr die Bordsteine hochgeklappt werden.

Mit diesem Blog möchte ich Menschen erreichen, die ebenfalls an einer Depression erkrankt sind und die versuchen, ihren Weg zurück in den Alltag zu finden.

Mitte Juni erhielt ich, nach einem BDI Test, von meiner Ärztin die Diagnose ,,Sie leiden an einer Depression'.

Depression.
Ich war zwar schon immer ein eher pessimistisch als optimistisch denkender Mensch, aber ich hatte in den letzten Monaten eher an einen burn out gedacht. Zuviel Arbeit, zuviel Stress, ständig Streit in meiner Fernbeziehung.... Als mein Freund sich dann Anfang Juni schließlich trennte, war das der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Anstatt erleichtert zu sein, dass ich eine Belastung weniger hatte, brach für mich die Welt zusammen. Ich habe mich noch ein paar Tage zur Arbeit geschleppt, habe mich aber auch da zum Heulen auf die Toilette verzogen. Die Arbeitsaufträge von meinem Chef konnte ich nicht mehr selbständig erledigen, nur noch nach Anweisung eines Kollegen, der mir geholfen hat. Ich bekam dann noch einen grippalen Infekt, der sich wochenlang hinzog.

Nach vier Tagen konnte ich nicht mehr und bin zu meiner Hausärztin gegangen. Schon auf ihre erste Frage wie es mir geht, bin ich in Tränen ausgebrochen. Ich konnte physisch und psychisch einfach nicht mehr. Sie hat mich dann erstmal für eine Woche krankgeschrieben, danach folgten noch weitere Wochen.

Nach der ersten Woche habe ich den BDI Test gemacht. Dieser ist nicht gut ausgefallen. Daher veschrieb sie mir ein Antidepressivum, welches ich nun morgens und mittags nehme.

Durch das viele Arbeiten und die 3 Stunden pendeln jeden Tag zur Arbeit, habe ich in den letzten Jahren Hobbys vernachlässigt. Ich war durch die langen Arbeitszeiten und auch am Wochenende viel zu müde, um ins Fitneßstudio etc. zu gehen. Das machte mich über die Jahre sehr unzufrieden, aber geändert habe ich nichts.