Freiheit

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Mittwoch, 3. Juni 2015

Erna is back in da house

Erna habe ich in den letzten Monaten nur ab und an zu Gesicht bekommen. Wir brauchten wohl beide eine kleine Verschnaufpause voneinander, nachdem sie beim Rückflug aus Australien fast die ganze Zeit quasi auf meinem Schoss gesessen und mir vorgehalten hat, dass wir auch mit nem Schiff hätten fahren können, wäre ich bloß nicht so stur gewesen und hätte auf die vier Wochen in Melbourne bestanden. Eine hätte es schließlich auch getan, dann wären noch drei für die Rückreise übrig gewesen. Wir haben uns 30 Stunden am Stück bloß angezickt und waren beide ziemlich genervt voneinander und abgesehen von einer kleinen Stipvisite im März, hatte ich sie daher nicht oft gesehen. 

Zacharias blieb natürlich bei mir (das war bestimmt meine Strafe fürs Ungehorsamsein) und wir beide haben uns, sagen wir mal....... arrangiert. Ich komme nicht in seinen Tanzbereich, er kommt in meinen wie und wann es ihm passt. So ist er halt, der Herr Zacharias. Seitdem Erna Englisch lernt, hat er einen etwas sonderbaren Spleen entwickelt und denkt, er stamme von einem englischen Adels-Katzengeschlecht ab. Er reagiert nur noch, wenn man ihn mit ,Herr Zacharias' in einer leicht säuselnden Stimmlage anspricht und trinkt nun kein Wasser mehr, sondern nur noch Earl Grey Tee. Herabgekühlt auf Zimmertemperatur und garniert mit einer hauchdünnen Bio-Zitronenscheibe. Der Kater hat echt den Knall nicht gehört...... 

Aber zurück zu Erna. Wie gesagt, ich hatte sie länger nicht gesehen, umso überraschter war ich dann auch, als sie plötzlich vor zwei Wochen wie ein junger Wirbelwind wieder zur Tür hereingedüst kam. Und blieb. Ich war davon ausgegangen, dass sie auf einer ihrer Seniorenfahrten einen älteren Herren kennengelernt und ihm schöne Äuglein gemacht hat. Man (ich) glaubt es kaum, aber sie kann ganz charmant sein, das alte Mädchen. Gar recht kokett, wenn ich es in ihrer altmodischen Ausdrucksweise wiedergebe. Ich dachte, sie würde nur schnell frische Wäsche holen (die ich natürlich wasche) und würde sich wieder von dannen machen. Aber nein. Ich räumte gerade die Einkäufe in die Schränke, da schwang sie sich auf einen der roten Barhocker und ich spürte ihren Blick im Rücken. 

,,Ganz schön leichtfüßig für fast 90", sagte ich über meine Schulter zu ihr. ,,Da hat wohl jemand nochmal etwas Öl in dein Getriebe geschmiert." Ich war schlecht drauf und wollte sie provozieren. Morgens hatte ich mein kleines Schweini Coco einschläfern lassen müssen, weil sie beide Hinterbeinchen nicht mehr bewegen konnte und ich brauchte jemanden an dem ich meinen Frust auslassen konnte. Hätte ich mir denken können, dass Erna das nicht auf sich sitzen lassen würde und ich wappnete mich innerlich. Ich hatte den ganzen Tag die Vorboten der Angst gespürt - die Übelkeit, das Schwächegefühl in den Armen, das innere Zittern, die Kälte. 

Die Angst erfasste mich wie eine Flutwelle, schwappte über mich und sog mich in ihren Strudel. So stark, dass ich mich an der Anrichte festklammern musste, um nicht mit dem Gesicht geradewegs auf die Fliesen zu knallen. Übelkeit stieg in mir auf und ich würgte. Schön tief ein- und ausatmen. Es geht vorbei. Es geht wieder vorbei. Dieses Mantra wiederholte ich innerlich. 

Plötzlich stand Erna neben mir und ich machte mich auf den nächsten Schwung bereit, da zog sie mich plötzlich an sich und in ihre Arme. Ich war wie erstarrt. Stocksteif stand ich da, das Kinn auf ihrer Schulter, während sie mich in den Armen hielt und mir mit einer Hand über den Rücken streichelte. Ich fragte mich kurz, ob ich mir vielleicht doch den Kopf gestoßen und kurz das Bewusstsein verloren hatte. Da fing sie an zu summen und schließlich leise zu singen. Vielleicht hatte sie sich ja auch den Kopf gestoßen...... 

Das Lied kannte ich. Es heißt ,Zwei kleine Sterne' und ich kenne es in der Version von Heintje. Ja! Heintje!! Als Kind war ich ein großer Fan, hab meine Kassette hoch und runter gehört, seine Filme angeschaut und ich kann noch immer manche Lieder mitsingen. Die Lieder erinnern mich an meine Kindheit. An meine Großeltern. Manchmal, wenn ich traurig bin und meine Oma sehr sehr vermisse, höre ich mir die Lieder auf Youtube an. Auch diesmal blieb der Effekt von Erna's Gesang und diesem Lied nicht ohne Wirkung. Ich heulte wie ein Schlosshund. Wegen Coco, meinem kleinen Schweini. Wegen dem Todestag meiner Oma 3 Tage vorher. Und weil ich mich so allein fühlte. Ich weinte und weinte und weinte. Und es hat gutgetan. Es alles rauszulassen. Erna hielt mich im Arm und ließ mich weinen und das hat die Angst irgendwie erträglicher gemacht. 

Als ich dann nach einiger Zeit erschöpft schlafen ging, legte Erna sich neben mich. Was ich auf sonderbare Weise als tröstlich emfand. Seit ein paar Tagen hatte ich wieder Einschlafprobleme und auch in dieser Nacht fiel es mir schwer das Gedankenkarussell abzustellen. Nach unzähligen Malen des Umherdrehens war diesmal ich diejenige, die anfing zu singen. Ein Mantra. Und Erna hörte zu. 

Seit dieser Nacht ist Erna wieder da. Aber sie drängt sich nicht mit aller Macht auf, so wie früher, sondern ist vielmehr stiller Beobachter und wenn ich sie brauche, ist sie neben mir. Sie hat sogar Gefallen am Yoga gefunden und wir tüfteln gerade an einer gemeinsamen Idee. 

Angst ist nicht immer mein Feind. Manchmal zeigt sie mir auch, dass ich locker lassen muss und auch mal schwach sein darf. Den Schmerz und die Tränen rauslassen kann. Meine Welt wird nicht direkt von einer Angstphase verschlungen, wenn ich Gefühle zulasse. Die Angst beschützt mich vor Dingen und Personen, die mir ein komisches Gefühl verursachen und mit denen ich nichts zu tun haben will. 

Selbst bei Erna, der krankhaften Angst, weiß ich mittlerweile, dass sie phasenweise in mein Leben eintritt, aber das sie auch wieder geht. Und dass ich ihr dann bei ihren Besuchen nicht mehr so hilflos gegenüberstehe wie noch in 2013. Sicher, ich komme noch ins taumeln, wenn sie mir aus heiterem Himmel einen ihrer Spontanbesuche abstattet und mich unvorbereitet erwischt, aber ich falle nicht mehr so tief. Und so hart. Natürlich helfen mir die Tabletten. Und Yoga. Und all die anderen Dinge, die ich bereits in meinem Leben geändert habe. Sowie meine Träume und Pläne. 

Wahrscheinlich wird Erna immer Bestandteil meines Lebens bleiben. Soviel musste ich mir nach fast zwei Jahren mit ihr schon eingestehen. Aber ich will weiter an mir arbeiten, damit ich in naher Zukunft lerne auch ohne Tabletten mit ihr zu leben. 

Mit ihr. Und ihrem schrulligen Kater. 

Wir sind schon ein seltsames Gespann.......

Montag, 1. Juni 2015

Als die Farben meine Welt verließen..... und die Freude mitnahmen

Bald jährt sich der Jahrestag, der einen Wendepunkt in meinem Leben darstellt, zum zweiten Mal. Es war Freitag, der 14. Juni 2013. Es war der Beginn einer langen Leidensphase, die ich leider noch nicht ganz hinter mir lassen und abschließen konnte. Ich habe zwar vorher schon gelitten, aber was in den darauffolgenden Monaten kommen sollte, darauf war ich nicht im geringsten vorbereitet. Ich glaube auch, dass nichts jemanden wirklich darauf vorbereiten kann. 

Dieser 14.06.2013 war für mich der Tag, an dem die bunten Farben mein Leben verließen und die Freude mit sich nahmen. Die Depression ließ ihren Mantel fallen und alles in einem tristen Grau versinken und mit Einzug von Erna (meiner Angst) war kein Platz mehr für Freude, Glück oder Lachen. Als wäre ich in einen Kokon gewickelt, der mich umhüllt und alles nur noch gedämpft an mich herankommt. 

Auch heute noch fühle ich mich so, wenn ich schlechte Phasen habe. Es dringt in dieser Zeit nichts wirklich zu mir durch. Und ich bin so damit beschäftigt den Tag zu überstehen und nicht zusammenzuklappen, dass ich für nichts und niemand außer mir selbst Aufmerksamkeit und Zeit aufbringen kann. Ich stecke dann in meiner eigenen Welt, bin selbst mit überleben und nicht aufgeben beschäftigt, dass einfach kein Platz für andere da ist. Mein Blick ist nur auf mich gerichtet, als hätte ich Scheuklappen an. Was am Rande dieser Klappen geschieht, sehe ich nicht. Mein Blickfeld ist beschränkt und mein Körper ist damit beschäftigt nicht schlappzumachen, im Überlebensmodus und nur ich zähle. Mein Geist ist auf die Depression, Erschöpfung oder Angst fokussiert, je nachdem in welcher Phase ich gerade stecke. 

Und ich bin es so leid! Ich bin es leid eine krankhafte Angst zu haben, die mich plötzlich überfallen kann und aus dem Hinterhalt anspringt. Ich bin es leid, Tabletten nehmen zu müssen. Ich bin es leid, dass ich nach fast zwei Jahren noch immer nicht gesund bin. Aber am meisten bin ich es leid, dass ich noch immer in dem selbem Teufelskreis stecke wie vor zwei Jahren. Sprich nach wie vor nicht den Mut hatte etwas an meiner Situation zu ändern und mich davon und damit verbundenen Personen zu distanzieren, die mich krank machen. Weil ich einfach Angst hab. Und auch wieder sehr müde bin. 

Ich habe Träume. Nach wie vor. Aber was nutzen diese Träume, wenn ich sie nicht umsetze. Ich winde mich hin und her. Habe zwar schon ein paar Dinge in Gang gesetzt, die mir viel bedeuten und mir guttun, wie z.B. neue Leute kennenzulernen und meine Yogalehrer-Ausbildung anzufangen. Aber ich falle immer wieder zurück, da ich das, was ich momentan als Hauptgrund für die Hartnäckigkeit meiner Krankheit ansehe, nicht ändere. Und das ist mein Arbeitsumfeld. Ich drehe mich seit zwei Jahren im Kreis. Mache Fortschritte, falle aber immer wieder zurück, als wäre ich an ein Gummiband geschnallt, das mich an meinen ursprünglichen Platz zurückschnellen lässt, wenn ich mich zuweit entferne. 

In dem Buch ,Finde zu dir selbst zurück' von Dr. Mirriam Prieß steht der Satz ,,Wenn Sie nicht wollen, dann werden Sie nicht leben!" Ich finde dieser Satz trifft mitten ins Schwarze und bringt es auf den Punkt. Daher fragt euch ,,Will ich wirklich leben?" Mit allen Konsequenzen und mag der Weg an manchen Stellen noch so steil oder steinig sein? Leben bedeutet hier nicht nur, als körperliche Hülle zu existieren, sondern ein Dasein zu gestalten, dass mich glücklich macht und ausfüllt. 

Denkt einen Augenblick über die Antwort nach. Seid nicht zu vorschnell! Wichtig hierbei ist es ehrlich zu sein. Absolute, gnadenlose Ehrlichkeit zu euch selbst. Das ist der erste Schritt. 

Also, nochmal: 

Will ich wirklich leben? Ja, das will ich! Chacka!!! 

So weit, so gut. Weiter geht's: 

Will ich wirklich leben und trage die darauffolgenden Konsequenzen, so unbequem, hinderlich, rücksichtslos, egoistisch, hinterhältig und schlecht sie auch sein mögen? Tja, ähm.... Chac....Hm... Jein?!?! 

Und hier ist der Hund begraben. Alle wollen leben und möglichst so gut es eben nur geht. Nur die meisten möchten nichts dafür tun, was irgendwie unbequem ist und Risiken mit sich trägt. 

Viele wissen vielleicht gar nicht, dass sie in Wirklichkeit nicht leben, sondern nur vor sich hinvegetieren. Was für ein Glück sie doch haben. Meiner Meinung nach. Denn was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Wirkliche Qualen erleiden diejenigen, die es nur zu gut wissen und sich nur schwer damit abfinden bzw. sich eben nicht damit abfinden können, weil sie eben mehr wollen. Mehr als nur vegetieren bzw. existieren.

Weitere Fragen, die ich mir stellen kann, um herauszufinden, ob ich nur existiere, vor mich hinvegetiere oder schon lebe: 

Bin ich glücklich? 

Wenn ja - super!! Du kannst hier aufhören zu lesen (vielleicht hinterlässt du unten in den Kommentaren dein Rezept für ein glückliches Leben). 

Für alle anderen geht es hier weiter: 

Warum bin ich unglücklich (bspw. in meiner Ehe, in meiner Beziehung, in meinem Job, in meinem Leben)? 

Worunter leide ich am meisten? 

Was hindert mich daran etwas zu meinem Vorteil zu verändern? 

Warum habe ich aufgegeben? 

Wenn man bereits aufgegeben hat, dann kann man dies auch wieder ändern. In kleinen Schritten. Dazu muss ich aber ab und an innehalten und lauschen. Wer aber nicht mehr in sich hinein horcht, weil er Angst davor hat, was er dort hört und nur noch existiert, weil das halt Freunde, Verwandte und Nachbarn auch so machen, der hat verloren. 

Daher hört in euch selbst hinein, hört auf die innere Stimme. Nicht mit dem Teufelchen auf eurer Schulter verwechseln, das euch sagt, dass ihr wertlos seid o.ä., sondern die tiefere Stimme. Die, die aus euch selbst entspringt und euch wirklich kennt. Manche nennen sie Bauchgefühl, Seele oder die Stimme des Herzens. Macht diese positive Stimme zu eurem besten Freund. 

Natürlich ist es ein steiniger Weg. Ich selbst mache zwei Schritt vor und einen zurück. Und bin darüber nicht gerade glücklich, da es mir zu langsam geht. Aber mein Psychiater sagt, dass ich zwar einen Rückschritt mache, aber immerhin auch insgesamt einen nach vorne. Ich habe die falsche Sichtweise. Auch gefallen mir manche Dinge an mir ganz und gar nicht, die zu Tage kommen, wenn ich gnadenlos ehrlich zu mir selbst bin. In manchen Ansichten bin ich anscheinend nicht so offen und tolerant, wie ich es gern sein würde. 

Aber trotz der Rückschläge, Schmerzen und Tränen, der Dunkelkeit, die mich ab und an noch umgibt, habe ich doch auch wieder gute Tage. Kann lachen, essen und es einfach genießen am Leben zu sein. Denn ja, ich will leben. 

ICH! 

WILL!! 

LEBEN!!! 

Chacka!!! Jawoll, ja! 


Wo ist der Reset-Knopf für mein Leben

Anmerkung: Geschrieben schon im März 2015

Seit fast einem Monat habe ich nun wieder einen Durchhänger. Mal sehr freundlich ausgedrückt. Ich bin wieder mental und physisch so erschöpft, dass ich, wenn ich frei habe, wieder nur noch schlafe. Das macht mich unzufrieden, weil ich lieber etwas unternehmen würde, aber zu erschöpft dafür bin.

Wenn ich daran denke, dass es mir in Australien so gut ging und das gerade mal 6 Wochen her ist, kommt es mir vor, wie ein anderes Leben. Wie kann es sein, dass ich schon wieder so fix und fertig bin?!?! 

Letzte Woche Donnerstag hatte ich ein Gespräch mit meiner Therapeutin. Sie hat noch nie so Klartext mit mir gesprochen. Ich weiß zwar alles, was sie gesagt hat, aber dass sie es dann so geradeaus gesagt hat, hat mich dann doch nachdenklich, sehr sehr nachdenklich, gemacht. Es hat mir sehr zu Denken gegeben. Und ich denke eh schon viel, aber nun steigen kleine Rauchwölkchen aus meinem Kopf auf. Denn ich habe einfach keine Lösung für mein Problem. Und ich merke, wie mich das krank macht. Und ich habe Angst, dass sich daraus eine organische Krankheit entwickelt. 

Kurzfassung: Meine Therapeutin sagte, dass ich etwas ändern muss und zwar schnell. Denn so wie ich in letzter Zeit erzähle, klinge ich manchmal schon sehr verbittert. Und das ich aufpassen muss, dass ich nicht vollkommen verbittere. Das wäre zu schade um mich. 

Aber ich habe Angst. Angst vor Veränderungen. Angst davor das Falsche zu machen und die Entscheidung nicht rückgängig machen zu können. Ich weiß, dass vor allem mein Chef das Hauptproblem ist. Sein Verhalten uns gegenüber wird schlimmer und schlimmer. Und ich dachte wirklich nicht, dass das noch möglich ist. Aber er schafft es immer wieder in dieser Hinsicht mich zu überraschen. Es ist furchtbar. Zuckerbrot und Peitsche. Nur dass das Zuckerbrot immer weniger wird. 

Meine Kollegin hat es passend beschrieben: Es ist, als würden wir auf einem Pulverfass sitzen, dass jeden Moment wieder hochgehen kann. Fragen an ihn sind ein Drahtseilakt geworden, da ich gar nicht mehr einschätzen kann, wie er reagieren wird. Schreit er mich an, wird er blöd oder reagiert er normal?!
Wir dürfen nicht einen Termin ausmachen ohne seine Zustimmung. Keine Mail darf versendet werden ohne dass er sie freigegeben hat. Selbstbestimmtes Arbeiten ist etwas anderes. 

Und so wie die Zusammenarbeit, wenn man das überhaupt so nenne kann, momentan ist, besteht für mich keine Chance gesund zu werden. Sondern nur kranker. Immer mehr und mehr.

Er selbet registriert sein falsches Verhalten aber leider nicht mehr. Er ist mittlerweile abgehoben in Sphären, in denen er dies leider nicht mehr wahrnimmt. Früher war er Teil unseres Teams. Heute leider nicht mehr. Er bemerkt nicht, wie schlecht die Stimmung bei uns ist und das wir auf dem Zahnfleisch gehen. Meine Kollegin sagte, dass sie letztens sonntags heulend zu Hause saß, weil sie montags zur Arbeit musste. Gestern schrieb sie mir, dass ihr richtig schlecht ist, weil er da ist. Willkommen in meiner Welt. Da war ich auch an diesem Punkt. Schon mehrere Male. 

Er nimmt sich selbst als Maß aller Dinge, aber er ist auch Chef und kann sich vieles erlauben, was wir nicht können. Ich habe mittlerweile soviel Frust in mir, auch ihm gegenüber, ohne dass ich ihn rauslassen kann. Und das frisst mich auf. Aber auch Wut. Für wen oder was hält er sich, zum Teufel nochmal, dass er so mit uns bzw. mir umgeht?!?! Ich bin es so leid sein Fußabtreter zu sein!!! Ihn andauernd zu bedienen, sein Essen zu holen, private Dinge für ihn zu erledigen, wie z.B. seine Hochzeit zu organisieren (und dafür ein läbsches Essen ausgegeben zu bekommen), die Bürotür hinter ihm zu schließen, wenn er morgens reinkommt (er macht das nicht selbst. Einer von uns muss extra aufstehen und sie zumachen!!!!). 

Ich bin es so leid! Nicht, weil mir ein Zacken aus dem Krönchen fällt, weil ich o.g. Dinge mache, sondern weil nichts gut genug ist für ihn. Und wir als ,Dank' nur angebrüllt werden, sobald ihm irgendwas querkommt. Sogar, wenn Kollegen Fehler machen, bekommen wir es ab. Zu anderen ist es echt freundlich, aber die engsten seiner Mitarbeiter macht er rigoros und stetig runter. Da lässt er Dampf ab. 

Ich weiß, dass er auch viel Stress und Druck hat. Ich würde auch für kein Geld der Welt mit ihm tauschen wollen. Aber ich kann nicht dafür! Es ist nicht meine Schuld, dass er überlastet ist. Ich und auch meine Kollegin machen so gut wir können, um es ihm so recht wie möglich zu machen, aber da er zu einem absoluten Kontrollfreak mutiert ist, kann ihm auch keiner Arbeit abnehmen. 

Warum ich ihm das nicht einfach mal alles sage? Gute Frage. Die Antwort ist vielschichtig: 
Ich mag meinen Job. Wirklich. Auch wenn es sich oben nicht so anhört. Ich mag es, dass ich so mit vielen Menschen aus 14 Ländern zusammenarbeiten kann. Ich mag das organisieren von Konferenzen, Veranstaltungen und auch seine Termin- und Reiseplanungen. Und meine Kollegen. 

Aber vor allem habe ich zuviel Angst vor den Konsequenzen, wenn ich ihm einen Spiegel vorhalten würde, wie sein Verhalten ist. Er würde es nicht annehmen und mich spüren lassen, dass ich es gewagt habe ihm dies ins Gesicht zu sagen. Und zwar heftig. 

Und, fatalerweise, will ich nicht, dass er enttäuscht von mir ist. Wie krank ist das bitteschön?!?! Und er wäre enttäuscht. Und würde es als persönliche Beleidigung empfinden, wenn ich weggehen würde. Denn in seinen Augen sieht er nur die Dinge, die er für mich getan hat und wie verständnisvoll er war, als ich krank war. Wie gesagt, er kann auch nett sein. Und es hat auch Zeiten gegeben, da habe ich gerne für ihn gearbeitet. Da war er wirklich noch einer von uns. Und auch da war er schon Chef. 

Aber mittlerweile habe ich das Gefühl, dass sein Nettsein nur noch kalkül ist. Er weiß, wie er anfangs die Leute damit einfängt und an sich bindet. Und schon hat er sie an der Angel. Und wir kleinen Fische, mit Gehirnen so groß wie ne Erbse, hängen daran und zappeln uns einen ab. Wenn aber einer von uns es wagt mal gegen ihn aufzumucken, wie im Februar mein Kollege, rastet er aus mit Rumbrüllen, Türen knallen etc. Und was hat es meinem Kollegen gebracht - Nix. Gar NIX. 

Außerdem – was ist, wenn es anderswo noch schlimmer ist?!?! Was, wenn der neue Chef noch schlimmer ist? Die neuen Kollegen ätzend. Ich mich selbst total überschätze und eigentlich nicht viel drauf hab. Hier in meinem ,alten' Job beherrsche ich die zu erledigenden Tätigkeiten aus dem Effeff. Und ich verdiene gut, selbst mit einer 30-Stunden-Woche. 

Aber ich arbeite eh mehr. Ich habe wieder soviel seit Anfang letzten Jahres gearbeitet, dass ich nun geradewegs wieder in die Reha könnte. Und mich eine tiefe Verzweiflung packt, wenn ich an die vor mir liegenden Wochen denke. Ich bin zu müde, um mich hinzusetzen und eine Bewerbung zu schreiben. Und ich weiß nicht, ob ich in meinem momentanen Zustand es schaffen würde eine neue Stelle anzufangen.

Ich hab einfach Angst und ich weiß nicht, wie ich aus dem von mir selbst geschaffenen Teufelskreis wieder rauskommen soll. Und das Schlimme ist, ich weiß das alles und fühle mich trotzdem total ohnmächtig und hilflos und kann nichts daran ändern. 

Nur leider verfliegt so die Zeit. Und dieses Leben ist nunmal keine Demoversion von meinem ,richtigen' Leben, sondern es ist mein richtiges Leben. Und ich kann nicht einfach Reset drücken und die Zeit zurückdrehen. Oder wie beim Monopoly auf Start zurückkehren und alles nochmal von vorne beginnen. Inkl. einem netten Sümmchen an Startgeld. 

Dies ist mein Leben und soweit ich weiß ist dies auch mein einziges. Also, warum mache ich es mir so schwer und lebe nicht einfach so, wie ich es will. 

Weil ich Angst hab.